11. Reformation und Türkengefahr

Martin Luther - Kupferstich von L.Cranach d.Ä., 1520

Noch zur Zeit Kaiser Maximilian I. wurde in der Klosterneuburger Stifts - Chronik die Treue der Enzersdorfer besonders hervorgehoben. Der Kaiser hatte nämlich eine ihn stellvertretende Regierungsbehörde (das „Regiment“) eingeführt, welche aber nicht sehr beliebt war. Es kam sogar zur Gewaltausübung gegen einzelne Mitglieder derselben und eines davon, Propst Georg von Klosterneuburg, sah sich genötigt, das Stift mit einer Schutzmannschaft zu versehen und seine Untertanen zur Verteidigung aufzubieten. Von diesen wurden Bewohner von Enzersdorf wegen ihrer vortrefflichen Dienste besonders gelobt. 

Bald darauf begann die gewaltige geistige Revolution zu wirken, die 1517 Martin Luther in Wittenberg mit seinen 95 Thesen gegen den Ablaßhandel sowie über den Begriff und Sinn der Buße entzündet hatte und der sich in den folgenden Jahrzehnten kein deutscher Volksstamm entziehen konnte. Weil hier in Österreich die Reformation nicht wie in anderen Gebieten Deutschlands sofort siegreich war, sondern nach einhundertjährigem geistigen und politischen Ringen abgewiesen wurde, waren die Auseinandersetzungen besonders groß

Das erste öffentliche Auftreten des Luthertums erfolgte in Wien bereits im Jahre 1521. In Korneuburg tauchte 1542 ein protestantischer Wanderprediger auf und 1561 hören wir dort von einem Pfarrer der verheiratet war und Kinder hatte. In Enzersdorf wurde Pfarrer Thibold 1547 wegen seiner Hinneigung zur neuen Lehre des Amtes enthoben, 1560 wurde ein verehelichter Pfarrer Ulrich Hermann genannt, der sich deshalb vor dem Konsistorium rechtfertigen mußte. Von 1661 an amtierten nun mehr regulierte Chorherren aus Klosterneuburg in unserer Pfarre, welche ab 1582 mit der Pfarre Leopoldau für die folgenden 110 Jahren vereinigt war. Dieser Schritt wurde mit einer starken Bevölkerungsverminderung begründet, welche durch Einquartierungen, Rekrutenstellungen, Überschwemmungen und eine ansteckende Krankheit (1569, die „Infektion“) entstand. Es ist aber auch denkbar, daß die hier angeführte „Bevölkerungsverminderung“ mit einer Abwanderung der Gläubigen zur reformierten Lehre erklärt werden kann.

Mindestens gleich folgenschwer für unser Land wie die Reformationswirren waren aber auch die Türkenkriege: Die Osmanen hatten sich ab etwa 1350 auf europäischem Boden festgesetzt und begannen rasch nach allen Richtungen zu expandieren, bis sie auf die schließlich erfolgreiche Abwehr des habsburgischen Österreich treffen sollten, für das sie durch Jahrhunderte eine enorme Bedrohung bedeuteten. Diese erreichte einen Höhepunkt, als Sultan Soliman II., ein Herrscher, dessen Macht wohl einen Vergleich mit jener Kaiser Karl V. gestattete; nach umfangreichen Rüstungen seinen Zug nach Österreich unternahm. Die Belagerung der tapfer verteidigten Stadt Wien im Oktober 1529 verlief ergebnislos; jedoch bewirkten die Streitscharen der Akindschi im Viertel ober dem Wienerwald, im Wienerwald selbst und seinem Weinbaugebiet durch Raub, Brand, Mord und Verschleppungen schwerste Verwüstungen. Das nördliche Niederösterreich konnten die Türken nicht einnehmen, weil einige entschlossene Landesherrn mit Baueraufgeboten den Donaustrom bewachten (z.B. Graf Julius von Hardegg mit ca. 1000 Landleuten in Korneuburg). Unser Heimatort mußte 20 Gulden Türkensteuer entrichten, blieb aber sonst verschont. Aber die Türkennot hatte noch kein Ende. Soliman zog 1532 nochmals gegen Wien, doch wurde er vor der Festung Güns so lange aufgehalten , daß er seinen Plan fallen ließ. Diesmal konnte Kaiser Karl V. eine ansehnliche Truppenmacht zur Abwehr am linken Donauufer bereitstellen. Bei Krems, später zwischen Korneuburg, dem Bisamberg und der Donauinsel Wolfsau lagerte das Reichsheer, die Spanier bei Kreuzenstein. Weit und breit suchten diese Truppen die Ortschaften auf und benahmen sich nicht wie Retter aus der Türkennot; Raub und Plünderung zeigten an , wo sie gewesen waren. Damals lernte Niederösterreich die Landeknechte kennen, die ebenso plünderten wie die Söldner des 15. Jahrhunderts.

Im Jahre 1530 wurde der auf Enzersdorfer Gebiet gelegene Tuttenhof erstmals als „Wirtschaftshof des Stiftes Klosterneuburg“ bezeichnet. Seine erste urkundliche Nennung erfolgte im Jahre 1400, gegründet wurde er aber früher. Hier wäre noch nachzutragen, daß im Jahre 1196 urkundlich ein Hugo von Tutindorf (Tuttendorf) erwähnt wird; das kleine ehemalige Fischerdörfel hatte eine wichtige Funktion am Donauübergang, welche sich in abgewandelter Form - bis heute erhalten hat.

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