21. Langenzersdorf im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts

Die Pest war allerdings nicht die einzige Heimsuchung am Beginn dieses neuen Jahrhunderts. Auch kriegerische Unruhen traten wieder verstärkt auf: 20 Jahre nach der Türkennot (in den Jahren 1703 - 1706) griffen die kriegerischen Unternehmungen der aus Ungarn kommenden Kuruzzen nach Niederösterreich über, teils auf Orte und Städte des rechten Donauufers, teils auf das östliche Weinviertel. Die Furcht und Unruhe war auch bei der Bevölkerung von Lang - Enzersdorf sehr groß und der damalige Pfarrer Karl Schnelzer zog sich in das Stift Klosterneuburg zurück.

Und seit Juli 1716 war Österreich neuerlich im Kriegszustand mit der Türkei. Prinz Eugen konnte noch im gleichen Jahr das türkische Heer bei Peterwardein schlagen und die Festung Temesvar erobern. Als er am 18. August 1717 Stadt und Festung Belgrad stürmte, war das der Höhepunkt der glänzenden Waffenerfolge des „edlen Ritters“, der damit die Türkengefahr endgültig bannte. Ein Jahr später wurde in Passarowitz (Serbien) Friede geschlossen, damals hatte Österreich seine größte Ausdehnung erreicht: Vor Sizilien bis nach Niederschlesien, vom Rhein bis zum großen Karpathenbogen, ins serbische Bergland und in die Tiefebene der Walachei reichte die Macht Kaiser Karls VI., des Vaters von Maria Theresia, der seit 1711 regierte.

In dieser Zeit erwiesen sich die Sicherheitsverhältnisse auf dem flachen Lande als äußerst schlecht. Im Gefolge der immer wiederkehrenden Kriegsunruhen, verbunden mit dem abgedankten Soldaten, aber auch durch Einquartierungen und Seuchen begünstigt, hatte ein gefährlicher Zustand der Unsicherheit besonders im Weinviertel um sich gegriffen. Dazu kamen noch wandernde Zigeunersippen, Diebs - und Räuberbanden sowie unzählige Bettler und Vagabunden, die nebenbei Spionagedienst versahen. Um diesem Unwesen, das oft auch mit argen Gewalttaten verbunden war, entgegen zu steuern, wurde von der Regierung im Jahre 1721 in Niederösterreich mit Militärverstärkung (über 1.000 Mann Kavallerie, 400 Infanteristen und das Aufgebot der Gemeinden) eine General-Landes-visitation angeordnet. Die vorgesehenen Streifungen wurden in einem Geheimerlaß festgelegt und betrafen u. a. auch „Bissenberg mit dem ganzen Landgericht nebst Strebersdorf, Langenzersdorf, Hüttelsee, Ebersdorf, die Stammersdorffer Waldung bis Klein Engersdorf. . . . .. . . „.

Wurde ein überführter Verbrecher gefaßt, konnte er gleich standrechtlich verurteilt und nach vollzogener Beichte hingerichtet werden.

Ebenfalls aus dem Jahre 1721 stammt ein Grabstein, der heute noch an der südlichen Außenwand unserer Pfarrkirche zu sehen ist und uns an den alten, ehemals um die Kirche angeordneten Friedhof erinnert. Die nur mehr schwer leserliche Inschrift lautet (in heutiges Deutsch übertragen):

„Allhier liegt begraben des Herrn Adam Stogmair,
Müllermeister allhier, und Christina, seiner Ehewirtin,
deren ehelicher Sohn Johann Adam, gewesener Müllerjunge,
welcher den 25. Jänner in Gott selig entschlafen 1718
seines Alters 26 Jahr! Gott verleihe ihm und allen
christgläubigen Seelen fröhliche Auferstehung! Amen.“

Dieser Stein, der oberhalb der Inschrift ein Wappen mit einem vierspeichigen Zahnrad trägt, ist über 275 Jahre alt und stellt ein interessantes Kulturdenkmal aus längst vergangenen Tagen dar. 

Durch Zufall hat sich im Archiv des Stiftes Klosterneuburg ein Schriftstück vom 23.6.1722 erhalten, welches kurz und bündig anordnet: “Der Frau Stögmayerin, verwitwete Müllerin in Langen - Enzersdorf ist anzubefeheln, daß sie ihren verheiratet gewesenen Müllerjungen namens Beer entweder zu entlassen oder sich mit ihm zu verehelichen habe“. Dazu ist kein Kommentar erforderlich, höchstens der: wir dürfen wohl Stogmair und Stögmayer gleichsetzen, zumal seinerzeit die Schreibweise der Personennamen nicht so genau festgelegt war wie man immer wieder in alten Matriken und sonstigen Schriftstücken beobachten kann.

Weil wir schon beim ehrsamen Handwerk der Müller bzw. Schiffsmüller sind: Ebenfalls aus 1722 hat sich ein Stiftungsbrief des Müllermeisters Josef Rathgeb aus Langen - Enzersdorf erhalten für ein jährlich gesungenes Amt (=Hochamt), wobei den armen Leuten 30 Kreuzer auszuteilen waren. Aus den Klosterneuburger Archivalien erfahren wir aber noch mehr über das damalige Leben und Treiben in unserem Heimatort: Am 29.7.1721 ergeht ein Schreiben an unseren Dorfrichter, den hiesigen Schmied Caspar Schrödtner wegen Gelder, die dieser nicht redlich verwaltet habe, für August zum Stiftsrichter nach Klosterneuburg vorzuladen. Im gleichen Jahr wird ein Schulmeister Adam Schallhas, ein Schuhmacher Christoph Rudolph und ein Bäckermeister Jacob Schwöbs erwähnt. Anläßlich eines Testamentes wird ein „behauster Unterthan und Huefschmidt Johann Caspar Schrettner“ genannt (siehe vorhin!). Auch über die Abgabe der Gastwirte erfahren wir einiges: So hatte z.B. Langen Enzersdorf in der Zeit von 1709 bis 1713 jährlich 375 Gulden Tatz und Ungeld (=Schank - und Getränkesteuer) zu zahlen. Am 14.10.1724 wurde eine „Visitierung“ im Gasthof „Zum Goldenen Hirschen“ angeordnet, jedoch kein Tropfen Getreidebranntwein gefunden (Verdacht der Steuerhinterziehung?) . Und 1725 wird „Michl Aßn, Würth beim „Goldenen Hirschen“ beschuldigt, heimlich Branntwein hereingenommen und keine Tatz dafür bezahlt zu haben“. Aber auch der Zechenmeister des ehrsamen Binderhandwerks zu Korneuburg beschwerte sich am 12.8.1725, daß in Lang - Enzersdorf Johann Pachmayer (damals hieß der Dorfrichter so!) und Simon Angst mit Fässern handeln, ohne dafür die Berechtigung zu haben.

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