22. Bader, Plankenmeister, kayserlicher Saalthürhüter ...

Das "Pfeffertor" ein Sgraffito auf Wohnhaus, Winzergasse 14

Vorhin haben wir von normalen Handwerksberufen gelesen, diesmal sind einige ungewöhnliche an der Reihe:

„Regina Meißnerin, armes Inweib allhier, hat Philipp Pertyl, Inmann, einen Dieb geheißen. Dieser hat Regina Meißnerin mit den Füßen in die Seite gestoßen, sodaß sie zum Bader nach Langenzersdorf hat gehen müssen. „Dies berichtete am 8. Mai 1734 unser Dorfrichter Johann Pachmayer an seine vorgesetzte Stelle im Stift Klosterneuburg. Damit liegt die bisher früheste Nachricht über einen Langenzersdorfer Bader vor. So nannte man nämlich den Besitzer einer Badestube, in der heiße Bäder und Dampfbäder genommen werden konnten, womit eine wichtige Funktion im dörflichen Alltag erfüllt wurde. Der Bader war auch für Massagen sowie Bart - und Haarschur zuständig und durfte gewisse Krankheiten (z.B. Hautkrankheiten) behandeln. Um 1740 befand sich die Badestube in einem kleinen Seitengäßchen der Hauptstraße (heute ist das die Bahngasse), der Name des damaligen Baders war Kastner. 1749 wurde der Langenzersdorfer Bader Lorenz Gleissner gemeinsam mit dem Stammersdorfer Bader Anton Franz Balder zu einer Totenbeschau gerufen, wie wir einem Bericht des hiesigen Dorfrichters Mathias Schmidl entnehmen können. - Hier sind noch die vorhin erwähnten Begriffe Inweib und Inmann zu erklären: Als Inleute wurden früher Knechte und Mägde bezeichnet; diese hatten kein Mitspracherecht in Gemeindeangelegenheiten, gehörten nicht zur Familie des Bauern und hatten keinen Anspruch auf Nutzung des Gemeindevermögens. Der Wechsel des Dienstplatzes war ihnen nur einmal im Jahr zu Maria Lichtmeß möglich.

Ebenfalls im Jahr 1734 erfahren wir, daß der Dorfrichter von Langenzersdorf auch für die Einfriedung der Weingärten im „Weingepürg“, auf dem Bisamberg also, verantwortlich war. Aus festeren Brettern wurde ein Plankenzaun errichtet, um das Wild des Berges aber auch aus den dichten Donauauen sowie das Rindvieh von den Weingärten fernzuhalten. Sämtliche Erhaltungsarbeiten, Erneuerungen usw. wurden vom Richter überwacht, der deshalb mit dem Titel „Plankenmeister“ ausgestattet war. Um den Zugang vom Dorf aus zu ermöglichen, waren zwei Tore vorhanden. Eines hieß Weintor und war namengebend für die heutige Weintorgasse im Unterort. Das zweite wurde „Pfefferltor“ genannt. Auf dem Wohnhaus Winzergasse 14 von Wilhelm und Johanna Balla ist ein Sgraffito (Wandverzierung in Kratzputztechnik) zu sehen, welches heute noch als Erinnerung an dieses Tor dienen soll. „Kayserlicher Saalthürhüter“ - nicht nur ein Titel, ein Beruf, sondern auch ein Amt und eine Würde! Wir können uns einen respekteinflößenden Mann in goldbetreßter Prunkuniform vorstellen (es ist die Zeit des Hochbarocks), der mit seinem achtungsgebietenden Zeremonienstock dreimal auf den Boden klopft, bevor er die reichverzierten Flügeltüren öffnet und den Besucher mit einer tiefen Verbeugung zum Eintreten auffordert . . . das war Josef Holfelder, ein gebürtiger Langenzersdorfer, der in der fernen Residenzstadt Wien seinen Dienst in der kaiserlichen Hofburg versah. Gar manches Trinkgeld mag es da gegeben haben, denn als er im Februar 1733 seinen letzen Willen aufsetzte, bewog ihn der damalige Pfarrer Hieronymus Lindemayr (1731 - 1761 tätig), von seinem Vermögen 8.000 Gulden als Stiftung zu bestimmen. Vom Ertrag dieses Geldes sollten sechs arme, zu Langenzersdorf geborene Knaben, welche fähig waren, deutsch lesen, schreiben und rechnen zu lernen (daher „Teutsches Stift für Knaben“ benannt), jährlich 30 Gulden erhalten und zwar vom Beginn des Schulbesuches bis zum 12. Lebensjahr. Wenn aber einer gute Fähigkeiten zum Studium zeigte, sollte ihm ein Stipendium von 50 Gulden Jährlich „bis zur Philosophie“ verabreicht werden. Gar mancher tüchtige Bursche aus einfachen Verhältnissen konnte dadurch seine spätere Lebenssituation wesentlich verbessern. Diese Stiftung bestand über das Jahr 1811 hinaus. Zur Erinnerung an diesen echten Menschenfreund wurde vor etwa 100 Jahren das ehemalige „Hintausgassl“ der Bergzeile als Holfeldergasse benannt.

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