27. Etwas über die Gerichtsbarkeit, oder - Weil das Weib dem Manne nachzufolgen hat

Die Hohe Gerichtsbarkeit und damit der Vollzug der Leibes- und Lebensstrafen war dem sog. Landgericht übertragen, während die niedere Gerichtsbarkeit dem Dorfrichter überantwortet wurde. Langenzersdorf gehörte (wie z.B. auch Strebersdorf, Stammersdorf, Enzersfeld u.a.) seit dem Jahre 1574 zum Landgerichtsbezirk Bisamberg. Dieser hatte seinen Amtssitz und die Gefängnisse im Bisamberger Schloß. Äußeres Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit waren Pranger und Galgen. Letzterer stand auf der westlichen Kuppe des Bisamberges, welche heute noch „Galgenberg“ (280 Meter) heißt. Interessant ist, daß es in Niederösterreich im 19. Jh. 208 gab. Auch das Landgericht der Herrschaft Bisamberg gehört seit März 1849 der Vergangenheit an. Die letzte Hinrichtung wurde am 25. Februar 1841 an einem Brandleger vollzogen und an jenem Tage Matthias Wernhart, ein gebürtiger Hagenbrunner, auf dem Galgenberge gehenkt, und sind bei dem am 20. Jänner 1840 verursachten Brände sechs Häuser und fünf Scheunen dortselbst eingeäschert worden (Zitterhofer, Die Pfarre Klein Engersdorf)

Der Dorfrichter war ein Hilfsorgan der Grundherrschaft (in Langenzersdorf war dies das Stift Klosterneuburg) zur Aufrechterhaltung und Überwachung des untertänigen Gemeinwesens. Der Dorfrichter wurde von der Herrschaft aus einem Dreiervorschlag der Dorfgemeinde ausgewählt. Symbol seiner Amtsgewalt war der Richterstab. Im Archiv des Stiftes Klosterneuburg haben sich zahlreiche diesbezügliche Schriftstücke, Anweisungen, Akten usw. erhalten, woraus teilweise schon in den vergangenen Abschnitten einiges zitiert wurde. 

Nun soll eine weitere Auswahl folgen:

1741, Februar: Lieber Richter! Trotz landesfürstlichen Verboths wollen die Nachbarn und Inwohner zu Lang-Enzersdorf von dem verdambten Holzstehlen nicht ablassen. Bei 20 Gulden Pönfahl (=Strafgeld) soll sie daher der Richter allhier bei der Rentkammer (des Stiftes = Verwaltung und Geldeinnehmer) anzeigen.

1747, Jänner: Es gibt viele gewissenlose Holzdiebe. Sie sind zu arretieren und dem Dorfrichter Michael Amon zu stellen.

1753, September: Der Michel Weiter, Lamplwirt zu L. Enzersdorf, ist wegen besonderer Injurien (= Beschimpfungen), so er gegen den Dorfrichter und die gesamte Gemeinde begangen hat, zwey Tage ohne Wein in den Kleiber Turm gesperrt worden. Hernach wird er verpflichtet, dem Dorfrichter öffentlich Abbitte zu leisten.

1757, September: Martin Schmidl zu Lang Enzersdorf ist wegen unbefugten Kerzen- und Seifenhandel beim Kreisamt in Gaunersdorf (Gaweinstal) angezeigt worden. Ihm ist die Erzeugung nur für die Hausnotdurft erlaubt.

1758, Oktober: Jacob Gartmayer, Theresia Fuchsberger und Gottlieb Gabler werden wegen Entheiligung des Sonntags bestraft. Sie haben am Sonntag die Weinganter (Ausdruck in der Kellerwirtschaft, bezieht sich auf die Unterlagen für die Fässer) aus dem Keller herausgeholt.

1767, Juni: Franz Ignaz Trattignik und Johann Michael Adler haben den wegen Diebstahls flüchtigen Georg Weydinger eingefangen und beim Ortsgericht eingebracht (es gab einen Gemeindekotter). Sie haben das Fürfanggeld bekommen.

1767, November: Als ich Samstag, den 1. November 1767, um sieben Uhr mit meinem Fuhrwerk durch L. Enzersdorf gefahren bin, ist mir im unterm Ort noch nichts abgegangen. Als ich im oberen Ort angekommen bin ist mir ein „Packet“ abgegangen: mit 4 Schlafdecken, 3 Mannß Hosen, 3 Laufpolster 54 Mundsemmeln. Der Fuhrmann ersucht um die Erlaubnis, die umliegenden Häuser durchsuchen zu dürfen. Adam Bierhaimer, Dorfrichter.

1773, März: Bericht des Dorfrichters, daß der Joseph Hauser heunt Nacht ein Weibsbild mit einem kleinen Kinde in seinen Stadl eingelassen hat. Am Morgen war das Weibsbild weg und das tote Kind hat sie zurückgelassen - worüber ich Anzeige erstatte. Johannes Gerhardter, Dorfrichter.

1777, Dezember: Zufolge des ergangenen Circulares vom 10. 12. habe ich zu berichten, daß aus dem Dorfe Lang - Enzersdorf täglich 16 taugliche Personen zum Schneeschaufeln auf die Landstraße (= Prager Straße) gestellt werden müssen. Georg Kniebeiß, Dorfrichter.

1780 Februar: Der Ortsrichter berichtet, daß bei dem im Dorfgericht eingelagerten 32 ½ Metzen Hafer ein unerklärlicher Abgang zu verzeichnen ist. (Anmerkung: eine ähnliche Situation hat es schon im Jahre 1777 gegeben).

1785, Juni: Nachdem der Sebastian Wimmer seine Invalidenanweisung nach Lang - Enzersdorf erhalten hat, so ist demselben von der Gemeinde nicht nur ein Unterstand, sondern auch Kost, Holz und Licht unentgeltlich zu reichen; es steht ihm außerdem noch zu, sein Weib mitzunehmen, obwohl sie von dort nicht gebürtig ist, weil das Weib dem Manne nachzufolgen hat. Rentkammer Klosterneuburg.

1785, November: Im Orthe ist eine alte Hebamme. Hat sie viele Taufen, dann hat sie einen Vorteil. Von der Gemeinde hat sie keine Einkünfte; wer sie braucht, der soll sie selbst bezahlen. Jos. Anzenberger, Richter.

1786, Juli: Anna Maria Niglin beschwert sich hierorts gegen den Dorfrichter, daß er ihr an ihrem Einzuge im Orte hinderlich sey. Da der Wille seiner Majestät dahin abzielet, daß sich jeder ansässig machen kann, wo er will, so ist Anna Maria Niglin ihr Ansuchen zu bewilligen.

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