57. Hochzeitsbrauch im Biedermeier

Goldhaube aus Langenzersdorf, 19. Jahrhundert (Heimatmuseum Foto: J.Brokx)

Im Jahre 1816 hatte der Ort 105 Häuser und 592 Einwohner, 1829 waren es 110 Häuser und 648 Bewohner. Einen Höhepunkt und ein großes festliches Ereignis im Alltag der damaligen Menschen stellte eine Hochzeit (mit den vorbereitenden Förmlichkeiten: Brautschau, Verlobung, Ehevertag usw.) dar. Besonders die Feste - aber auch der Alltag – waren durch Formen und Vorschriften festgelegt. Eine im Heimatmuseum Langenzersdorf befindliche Handschrift aus der Zeit um 1820 gibt uns ein diesbezüglich gutes Beispiel zum Hochzeitsbrauchtum und läßt uns gleichzeitig die wichtige Rolle des Brautführers erkennen. Er war eine Vertrauensperson und hatte das Brautpaar sowie die Hochzeitsgäste mit Sicherheit und Erfahrung durch das altehrwürdige und genau festgelegte Zeremoniell zu führen. Dabei bediente er sich bestimmter Redewendungen, Phrasen und Höflichkeitsformeln, die den Sinn und Ablauf des Hochzeitsbrauchrums erläutern und in sieben schriftlich festgehalten Kapitel gegliedert sind:

  1. Einladung zur Hochzeit durch den Brautführer, der somit auch als „Hochzeitslader“ tätig wird. Mit seinem Spruch bittet er Familienangehörige, Freunde und Nachbarn zur Teilnahme am Hochzeitszug, zur kirchlichen Trauung und dann zur „Christlichen Mahlzeit“, zur Hochzeitstafel.
  2. Am Morgen des Hochzeitstages holt sich der Brautführer zunächst vom Bräutigam sein Lohn, in dem er von diesem ein „Tüchl“ (Taschentuch oder Seidentuch) fordert. Der diesbezügliche Spruch endet mit dem Satz: „Also gehört die Braut hin und das Tüchl her, die Braut sein und das Tüchl mein“.
  3. Einladung zum Frühstück, „auf ein Stückl Fleisch und auf ein Glas Wein“.
  4. Nun wird die Braut abgeholt und der Spruch, der vor ihrem Elternhaus aufgesagt wird, soll an das gegebene Eheversprechen („Contract und Heiratsbeschluß“) erinnern.
  5. Anschließend begibt sich der Hochzeitszug zum Elternhaus des Bräutigams, der mit einem ähnlichen Spruch an die getroffene Vereinbarung erinnert wird.
  6. Auf dem Weg zur Braumesse hält der Zug beim Pfarrhaus, um sich vom Geistlichen Herrn bestätigen zu lassen, daß kein Ehehindernis bekannt geworden ist, daß „zwischen den zwei Brautpersonen kein Berhinderniß sei“.
  7. Zum letzten Mal sagt der Brautführer seinen Spruch nach dem Hochzeitsmahl, wenn er die Braut zum Ehrentanz auffordert, bevor er sie endgültig ihrem Bräutigam und dem Ehestand überläßt. Dabei muß die Braut über den Tisch zum Brautführer heruntersteigen und ihm, der ihr ein Glas Wein, „gewachsen zu Köln am Rhein“, kredenzt, in seinen Federhaut mit klingender Münze seine Dienste lohnen.

Der hier geschilderte Ablauf einer dörflichen Hochzeit gibt einen guten Einblick in das damalige Brauchtum. Ähnliche Vorgänge haben wir uns auch für die nähere und weitere Umgebung vorzustellen sowie für das ganze Weinviertel. Gestaltung dieses Tages, der für das Brautpaar wohl den festlichen Höhepunkt des Lebens darstellte, läßt manche bis in die Barockzeit zurückreichende Wurzel erkennen.

Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, daß nicht nur beim Hochzeitsbrauchtum, sondern auch bei anderen festlichen Anlässen im Jahreskreis die Burschen des Dorfes eine wichtige Rolle spielten. Mit dem 16. Lebensjahr konnte der Jüngling in die Gemeinschaft der Burschen des Ortes aufgenommen werden, wobei sein Einstand mit einem ausgiebigen Umtrunk gefeiert wurde, den er zu bezahlen hatte. Die Burschen waren an den Festen und Umzügen im Fasching maßgebend beteiligt, sie spielten beim Maibaumaufstellen umd am Kirtag eine große Rolle, aber auch Erntedankfeste, Weinlesefeste, Ballveranstaltungen und sonstige Festlichkeiten waren ohne ihre Mitwirkung im damaligen dörflichen Jahresablauf undenkbar.

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