58. Eine Wallfahrt im Biedermeier

Wahre Abbildung des wunderthätigen Gnadenbildnißes Maria Einsiedel, der der Pfarrkirche zu Langenzersdorf

Zeitlich in der Früh, noch im Morgengrauen, sind sie wohl aufgebrochen die Langenzersdorfer Wallfahrer an jenem Florianitag des Jahres 1820 dem 4. Mai also. Der Weg führte sie über die Maria-Loretto Kirche in Jedlesee und die Donaubrücken zur Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt im 6. Wiener Gemeindebezirk, welche an diesem Tag von zahlreichen Prozessionen besucht wurde. Ihr Ziel war das dort befindliche Gnadenbild „Mariahilf“, eine Kopie des auf dem Mariahilfer Berg zu Passau (über die Zugehörigkeit unseres Gebietes zur Passauer Diözese siehe Teil 7 dieser Serie) verehrten Muttergottesbildes. Über den weiteren Ablauf der Ereignisse berichten die Aufzeichnungen des alten Langenzersdorfer Pfarrprotokolls, welche Herr Direktor Franz K. Schwarzmann für das Heimatbuch „Rund um den Bisamberg“, Band 3 / 1966, bearbeitet hat:

Um 11 Uhr zogen unsere Wallfahrer nach verrichteter Andacht paarweise wieder aus der Wiener Mariahilferkirche; voran das Kreuz und die roten Kirchenfahnen, alles unter Führung eines Vorbeters. In mustergültiger Ordnung kamen 178 Langenzersdorfer aus der Kirche. Unter den Menschen, die den Platz vor der Wallfahrtskirche bevölkerten, war auch die 76 jährige Witwe Magdalena Jäger, die von unseren Wallfahren, ihrer Disziplin und Ordnung höchst beindruckt war. Sie hielt den Zug an und teilte den überraschten Langenzersdorfern mit, daß sie zu Hause eine Statue der Schwarzen Muttergottes von Maria Einsiedeln verwahre, die sie nunmehr unseren Wallfahren zum Geschenk machen wolle. Die Statue hatte sie gemeinsam mit den Mitbewohnern ihres Hauses seinerzeit von einer Kirche gekauft (wie dies damals bei Umbauten und Modernisierungen von Kirchen durchaus üblich war), sie sei nun die letzte Überlebende dieser frommen Hausgemeinschaft und möchte daher diese Muttergottes wieder einer Kirche verehren.

Durch die Bemühungen von Katharina Dorner, Ehegattin des Hauers Michael Dorner („Nachbar dahier Nr 94“, heute Korneuburger Straße 37), ihrer Tochter Anna und des Fuhrmannes Martin Gumpinger wurde die wertvolle Schnitzarbeit von Wien nach Langenzersdorf gebracht, restauriert und in unserer Kirche aufgestellt.

Bald darauf kam es zu Gebetserhörungen und immer mehr kranke und hilfesuchende Menschen wandten sich an die gnadenreiche Muttergottes Maria Einsiedeln mit ihren Anliegen. Eine heute noch erhaltene Liste von Votivgaben legt Zeugnis ab, wievielen notleidenden Mitmenschen Hilfe gewährt wurde. Ein kleines Andachtsbild (Kupferstich um 1825, siehe Abbildung) wurde verbreitet und eine „Gebeth“ und ein „Lied“ zur gnadenreichen Jungfrau und Mutter Gottes, Maria Einsiedel, welche in der Pfarrkirche zu Langenzersdorf andächtigst verehrt wird, bezeugen die weite Verbreitung dieses so stark in der Öffentlichkeit wirkenden Marienkultes.

Wann und warum dieser zu Ende gegangen war, läßt sich derzeit nicht feststellen, doch scheinen die Ereignisse des Jahres 1848 auch dem Wallfahrtszuzug zu unserer „Schwarze Muttergottes von Maria Einsiedeln“ ein Ende bereitet zu haben. Um das Gnadenbildnis in der Marienkapelle des südlichen Seitenschiffes der Pfarrkirche von Langenzersdorf ist es heute ruhig geworden.

Zum Abschluß noch einige Hinweise zu Maria Einsiedeln:

Einsiedeln ist ein sehr bedeutender Wallfahrtsort im schweizerischen Kanton Schwyz, von hohen Bergen und Wäldern umgeben und kann nach Lage und Bedeutung etwa mit Mariazell verglichen werden, wenngleich dieses jüngeren Ursprunges ist. Einsiedeln wurde vom heiligen Meinrad, einem Südschwaben, 835 gegründet, indem er seine Einsiedlerzelle hieher verlegte. Hundert Jahre später erfolgte die Grundsteinlegung zum tausendjährigen Benediktinerkloster, das in seiner Geschichte großartige Barockisierung im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts und schwere Zerstörungen durch die Truppen Napoleons (1798) erlebte. Den Mittelpunkt der Klosterkirche bildet die Gnadenkapelle, errichtet aus schwarzem Marmor, den der Salzburger Erzbischof Markus Sittikus gestiftet hatte. Hier befindet sich das Gnadenbild der Schwarzen Muttergottes, eine edle spätgotische Madonna, wahrscheinlich süddeutscher Herkunft. Die Holstatue mit dem Jesuskind bekam im Verlauf der Zeit durch den Rauch und Qualm der vielen Weihekerzen ihre schwarze Oberflächenfärbung.

zurück zum Anfang