5. Das Stift Klosterneuburg als Grundherrschaft

Zur Zeit des heiligen Markgrafen Leopold III. (er regierte 1095 - 1136) war die Mehrzahl der Bauern Zinsbauern, d.h. sie hatten pro Kopf gewisse Abgaben - Zins - zu leisten, teils in Geld, teils in Naturalien. In den meisten Fällen besaßen die Bauern ihre Höfe in Erbpacht. Bei Besitzwechsel war zwar eine nicht geringe Abgabe zu entrichten, in der Regel aber blieb ein Hof für lange Generationen in den Händen einer Familie. Die „Grundherrschaft“ (siehe Teil 4 dieser Serie), war die unterste öffentlich - rechtliche Instanz für Land und Leute; bei Urteilen in rechtlichen Belangen, die in die Kompetenz der Herrschaft fielen, war meist eine Berufung nicht möglich und das blieb so bis zum Jahre 1848. Für unseren Heimatort fungiert das Stift Klosterneuburg, in dem seit 1133 Augustiner - Chorherren wirken, als Gundherrschaft und Grundbesitzer. Die Voraussetzung für diese Grundherrschaft dürfte der Diakon Adelherr spätestens um 1114 Markgraf Leopold III. zu Lehen erhalten hatte, mit dessen Zustimmung den Mönchen von Klosterneuburg: Güter, Wiesen und Hofstätten in Enzersdorf (und anderen Orten). Aufgrund dieser Schenkung erkennen wir aber auch, daß vorher die Babenberger (und Ihre Ministerialen) Besitz in Langenzersdorf hatten.

1246 wurde Herzog Friedrich II., der Streitbare, im Kampf gegen die Ungarn getötet. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Babenberger, die Nachfolge trat der Böhmenkönig Ottokar an. Als jedoch 1273 Graf Rudolf von Habsburg zum deutschen König gewählt wurde, kam es zu großen Differenzen mit Ottokar. Deshalb zog Rudolf mit einem Heer nach Niederösterreich und war im Sommer 1276 im Raume Klosterneuburg angelangt. Am anderen Donauufer standen die Böhmen und bei den sich entwickelnden Kämpfen soll der hochangesehene Wernhard von Wolkersdorf „...am 31. August 1276 in Langenzersdorf am Bisamberg gefallen sein“. Leider läßt sich diese Nennung unseres Heimatortes durch zeitgenössische Quellen nicht belegen. Gesichert ist allerdings, wie Dr. Max Weltin vor einiger Zeit berichtete, daß Wernhard am nördlichen Donauufer ums Leben gekommen ist, dies könnte sich im Raum Langenzersdorf zugetragen haben, dokumentarisch nachzuweisen ist es nicht. Die endgültige Entscheidung in diesem Machtkampf erfolgte am 26. August 1278, als König Rudolf von Habsburg bei Dürnkrut einen eindrucksvollen Sieg über Ottokar von Böhmen erringen konnte. Damit begann die 640-jährige Herrschaft der Habsburger in Österreich.

Ottokars Herrschaft hatte u.a. die Einführung von grundbuchähnlichen Aufzeichnungen, die man „Urbare“ nennt, gebracht. Im Jahre 1258 haben die Mönche ein solches Verzeichnis von Besitz und Einkünften auch im Stift Klosterneuburg angelegt. Damals gab es bei uns 27 Häuser (Höfe), welche pro Jahr eine Zinssumme von 3 Pfund Pfennig abzuliefern hatten sowie bestimmte Naturalabgaben an das Stift leisteten (Getreide, Vieh, Käse, Eier, Wein usw.). Bemerkenswert ist, daß verschiedene stiftliche Persönlichkeiten in Enzersdorf Lehenshöfe innehatten, z.B. der Kellermeister, der Spittelmeister (Vorsteher des Spitals), der Kanzleivorstand, der Jäger, der Vorstand der stiftlichen Bauhütte usw.

Ein halbes Jahrhundert später (um 1306) gibt uns ein nächstes Urbar noch weitere Aufschlüsse: Nun sind es bereits 56 Häuser, eine Vermehrung, welche seit 1258 auf die rasch fortschreitende Teilung und Zersplitterung der großen alten Zinslehen von etwa 30 Joch Größe zurückzuführen ist. Die Summe der an das Stift fallenden Geldabgaben betrugen jährlich bereits sieben Pfund und fünfunddreißig Pfennig (ein Pfund entspricht 240 Pfennig). Interessant ist auch die Nachricht, daß der Propst des Stiftes alljährlich am Tage nach Georgi (24. April) eine Gerichtsversammlung in Enzersdorf abhielt, zu der die Gesamtheit der Dorfbewohner kommen mußte: hier erhielten sie Weisungen vom Propst oder seinem Kellermeister und hatten die verordneten Bußen für Vergehen zu entrichten. Am gleichen Tage mußte auch dem Propst ein Mahl bereitet werden, womit alle Merkmale des vollentwickelten „Dorfgerichtes“ vorliegen. Stift Klosterneuburg war die Ortsobrigkeit und blieb es bis zum Jahre 1848.

Es ist verständlich, daß eine so einheitliche und geschlossene Dorfgemeinde, die zweifellos infolge des Weinbaues und des Weinhandels als wohlhabend anzusehen war (die früheste Erwähnung eines Weingartens in Enzersdorf erfolgte in der Zeit der Gründung von Stift Klosterneuburg), auch den Wunsch nach einer eigenen Pfarre hatte. Ursprünglich gehörten die Dorfbewohner zur Stiftspfarre Klosterneuburg, dann zur Pfarre Korneuburg, die um 1170 und dann 1212 in Erscheinung trat, selbst aber erst nach 1150 aus der bereits früher erwähnten Mutterpfarre St. Martin - Klosterneuburg ausschied. Am 1. Mai 1326 wurde nun das bereits in „Entzenstorf sub monte Busenperige“ bestehende Gotteshaus zu einer Pfarrkirche erhoben, wie im folgenden Abschnitt ausgeführt wird.

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