8. Die Herren von (Lang) Enzersdorf

Wir haben bisher die Gründung und erst urkundliche Erwähnung sowohl der Siedlung als auch der Pfarrkirche behandelt. Nun sind noch einige Hinweise auf die Herren von (Lang) Enzersdorf zu geben, ritterliche Leute aus diesem Ort, die in den frühen Urkunden bei Rechtsgeschäften (häufig sind es Schenkungen) für das gegenüberliegende Kloster-Neuburg auftreten. Aufgrund der Quellenlage können wir annehmen, daß diese Herren nicht immer dem gleichen Geschlechte angehört haben, sondern auf verschiedenen adeligen Höfen im Ort ansässig waren.

Als erster wird 1108 der an der Spitze der Dorfbewohner stehende Gnane (oder Gnanno) von Enzersdorf genannt. Über ihn wissen wir auch, daß er Rechtshandlungen für die Dorfbewohner durchführte. Das geht z.B. aus einer Urkunde um 1130 hervor, die besagt, daß Gnanno im Auftrag der Enggila von Enzersdorf einen zinspflichtigen Untertanen der Klosterneuburger Mönchsgemeinschaft übergeben hatte. Weiters wären z.B. Wernhard von Enzersdorf(um 1130 und nach 1168) zu nennen oder die Brüder Heinrich und Rudolf von Enzersdorf (um 1180/85). Heinrich wird gegen Ende des Jahrhunderts urkundlich nochmals erwähnt, als er vor der Teilnahme an einem Kreuzzug bestätigte, schon vor einigen Jahren seinen Besitz in „Enzersdorf am Flußufer“ an Klosterneuburg gegeben zu haben. Da wir später von Heinrich nichts mehr hören, besteht die Vermutung, daß er auf diesem Kreuzzug des Babenberger Herzogs Friedrich I., den dieser nicht überlebte, gefallen ist. Zur Jahrhundertmitte ist noch nachzutragen, daß sich damals mehrere Träger altertümlich anmutender Namen von Enzersdorf nannten, z.B. Wesgrim und Hirzman. Diese beiden dürften Verwalter (officiales) des Stiftes gewesen sein, genauso wie ein ebenfalls urkundlich genannter Rüdiger von Enzersdorf, die alle im Ort entsprechend begütert waren. 

Auffallend ist, daß wir nach etwa 1200 nichts mehr von adeligen Leuten erfahren, die sich nach Enzersdorf nennen - die ortsansässige Oberschichte scheint damals ausgestorben zu sein. Auch von einer Burg oder einem Schloß gibt es keine Nachricht. (Lang) Enzersdorf ist damit einer der wenigen Orte, der - zumindest seit Ende des 12. Jhs. - keine Burg und kein adeliges Herrengeschlecht aufweist, was sonst allerdings fast durchwegs der Fall ist. Wenn wir nur in unsere nächste Nachbarschaft schauen, so gab oder gibt es Schlösser in Bisamberg, Korneuburg, Hagenbrunn, Strebersdorf usw.

Vorläufer einer Burg war meist ein „festes Haus, welches in frühen Zeiten nicht nur Sitz der jeweiligen Herren war, sondern bei kriegerischen Ereignissen auch als Schutz und letzte Zufluchtsmöglichkeit für die Ortsbewohner diente. Wir können annehmen, daß es auch in (Lang) Enzersdorf in diesen frühen Jahrhunderten so eine Einrichtung gegeben hat. Heute sind davon leider keine Spuren mehr feststellbar, doch ist es denkbar, daß dieses feste Haus an jener Stelle stand, an der sich heute der Pfarrhof (Obere Kirchengasse) erhebt. Der Dehio Niederösterreich (nördlich der Donau, 1990) beschreibt diesen wie folgt: „Zweiflügelbau mit dominierendem Hauptgeschoß über Erdgeschoß, Straßentrakt im Kern vielleicht 16. Jahrhundert . . . im Erdgeschoß Kreuzgratgewölbe . . .“ Die Lage des Pfarrhofes außerhalb des alten Siedlungskernes, etwas erhöht und am (Kirchen) Bach weist diesen Platz als durchaus geeignet für ein festes Haus aus. Es ist möglich, daß hier bei grabungstechnischen Untersuchungen Fundamente und Mauerreste dieses wesentlich älteren Vorgängerbaues gefunden werden können. Denkbar ist auch, daß hier der Gründer des ersten gemauerten Kirchleins (romanische Saalkirche um 1180 - 1200) seinen Sitz hatte.

Wie wir bereits gelesen haben, dürften die niederen adligen Leute des 12 Jhs., die auf verschiedenen wehrhaften Höfen in Enzersdorf gesessen sind, in diesem Jahrhundert ausgestorben sein, wobei es kein Nachfolgergeschlecht gegeben hat. Deshalb ist wohl später die Erweiterung und Vergrößerung der Kirche das Werk einiger wohlhabender Ortsbewohner und der Dorfgemeinschaft gewesen. Nachweisbar ist das z.B. für diese Zeit vor 1323, als Coloman und seine Frau Jutta die schon bestehende Enzersdorfer Kirche durch den Anbau einer Leonhardskapelle erweitert haben. Als Lehensherren dieser beiden Kapellenerbauer werden die Brüder Wernhart und Bruno von Karnabrunn genannt, die nunmehr in Enzersdorf gewisse Rechte ausübten. 

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