996 finden wir also erstmals die Bezeichnung „Ostarrichi“, 1095 tritt der Babenberger Marktgraf Leopold III. die Regierung dieser Mark im Osten an. In den 100 Jahren, die dazwischen liegen, sind wichtige Entscheidungen gefallen: In mehreren Feldzügen des Reichsheeres unter der Führung des deutschen Kaisers Heinrich III. gegen die immer wieder vordringenden Ungarn und gegen die Böhmen wurde, die endgültigen Grenzen erreicht, nämlich im Norden der Unterlauf der Thaya, im Osten die March und die Leitha. Von größter Bedeutung aber waren die siedlungs- und bevölkerungsgeschichtlichen Ereignisse. Zu der eher geringeren Zahl einheimischer Bewohner germanischer und slawischer Nationalität kam nun ein Strom bayerischer Neusiedler, womit die systematische Erschließung des Landes begann; dabei wurde folgende Vorgangsweise eingehalten:
Grundsätzlich gehörten alle eroberten Gebiete dem deutschen Kaiser bzw. König. Dieser schenkte das Land den Grundherren, das waren entweder bayerische Adelige oder Bistümer, Klöster und Domkapitel. Die Grundherren brachten nun Bauern aus ihrer Heimat und siedelten sie in den neuen Gebieten an. Als Siedlungseinheit galt das Lehen, ein Bauerngut welches ursprünglich dreimal zehn Joch (ca. 17 ha) groß war. Der Inhaber des Lehens war zum Kriegsdienst verpflichtet, was im Interesse der Verteidigung des Neulandes lag; ebenfalls strategischen Überlegungen verdankt das Dorf seine Entstehung, womit auch eine erste Verwaltungseinheit (Dorfgemeinschaft, Dorfgericht usw.) gebildet wurde.
In dem eingangs erwähnten Jahrhundert konnten die Babenberger ihre Macht und Stellung ausbauen und rivalisierende Adelige ausschalten.
Marktgraf Leopold III., der bereits in Klosterneuburg residierte, gelang es sogar, in die deutsche Kaiserfamilie einzuheiraten, 1106 schloß er die Ehe mit Agnes, der Schwester des deutschen Königs Heinrich V. im Sommer 1108 zog Heinrich V an der Spitze eines Reichsheeres donauabwärts nach Ungarn, wo wieder einmal Rivalitäten ausgebrochen waren. In seiner Begleitung waren u.a. auch Bischof Hermann von Augsburg und dieser traf im Raum Klosterneuburg eine Reihe von ihm hörigen (dienstbaren) Leuten. Diese unterstellte er nunmehr dem Stift Klosterneuburg und als Zeugen dieser Schenkung werden auch „Gnane de Encinstorf et Albrecht“ genannt sowie ein „Prun de Pusinberge“ (d.i. Bisamberg). Somit finden wir im Jahre 1108 - vor fast 900 Jahren also - in einer schriftlichen Quelle erstmals unseren Ortsnamen Enzersdorf erwähnt; er kommt vom Personennamen Enzo oder Anzo, welcher sich vom althochdeutschen Wort „anti“, d.h. Riese, ableitet. In den folgenden Jahrzehnten wurden noch öfters ritterliche Gefolgsleute des Markgrafen Leopold III. aus Enzersdorf genannt. Infolge der Nähe ihres Wohnsitzes zum Stift Klosterneuburg (welches ab 1114 von Leopold II. großzügig erweitert bzw. grundlegend neu erbaut wurde) holte man sie gerne als Zeugen bei verschiedenen Rechtsgeschäften. Die tatsächliche Gründung unseres Heimatortes wird um 100 Jahre früher als es die erst schriftliche Nennung angibt, erfolgt sein. Wir kommen somit ungefähr in das Jahr 1000, in jene Zeit also, die zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurde. Es gibt aber auch in unserer Umgebung Beispiele für so frühe Siedlungsnennungen in Urkunden, z.B. Jedlesee (1014 erwähnt) oder Stockerau (1012 im Zusammenhang mit dem Märtyrertod des Hl. Koloman).
Dieses Enzersdorf war ursprünglich ein Zeilendorf entlang der Aurandstraße, verbaut war nur die sogen. „Bergzeile“. Der älteste Siedlungskern ist im Bereich der barocken Bildsäule des Hl. Johannes von Nepomuk zu suchen, an der Kreuzung der (Prager-) Straße mit dem ehemaligen Bett des (Kirchen-) Baches. Hier besteht heute noch ein kleiner Dreiecksplatz, und diese Platzform weist ebenfalls auf ein hohes Alter der Anlage hin. Der heutige Standort unserer Pfarrkirche - nämlich außerhalb dieses Siedlungskernes in erhöhter Lage - spricht ebenfalls für eine frühe Siedlung, worauf später noch zurückgekommen wird.
Interessant ist, daß der vorgeschichtliche Siedlungsplatz in der Burleiten, wo Siedlungsreste aus der Zeit 4000 vor Christi bis 350 vor Christi gefunden wurden (siehe Teil 1 dieser Serie), nur ca. 300 m Luftlinie von der eben besprochenen frühmittelalterlichen Siedlung entfernt liegt. Ob nun in den dazwischen liegenden 1350 Jahren in diesem Gebiet ebenfalls eine Ansiedlung bestand, könnte nur durch günstige Zufallsfunde bzw. Grabungen nachgewiesen werden.
zurück zum Anfang